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Märchen meines Großvaters

Der König der Heilkunst

Es war einmal eine Prinzessin, die einen schweren Charakter und einen überheblichen Stolz hatte. Sie wollte nicht sticken, tanzen lernen oder sich umkleiden. Am besten fand sie reiten und Bogenschießen wie die anderen jungen Mädchen im Königreich. Die Prinzessin war klug und gut gebildet. Ihre scharfe Zunge aber brachte viele zur Weißglut. Trotz ihrer vollkommenen Schönheit wollte aber nicht jeder die widerspen-stige Prinzessin zur Frau haben. In diesem Königreich lebte auch ein junger begabter Arzt. Und da der König viel Gutes von ihm gehört hatte, machte er ihn zu seinem Hofarzt. Nun kam der junge Arzt zum ersten Mal zum König. Und schon wurde er von der Prinzessin ausgelacht. Sie gab ihm sofort den Spitznamen „Gelehrter Uhu“. Der junge Mann reagierte aber nicht und beschloss für sich, ihr möglichst wenig unter die Augen zu treten. Er gab sich ganz seiner Arbeit hin. Von überall her kamen die Kranken zu ihm, die er erfolgreich behandelte. Von dem jungen Arzt wurde immer öfter gesprochen und die Prinzessin dachte immer wieder an ihn. Sie benutzte jede beliebige Möglichkeit, um „den gelehrten Uhu“ noch einmal zu sehen. Aber der Arzt mied sie. Die Prinzessin eroberte schon seit langem sein Herz und er hätte keinen einzigen Spott von ihrer Seite ertragen können. Nach einiger Zeit merkten alle, dass die Prinzessin abgemagert war. Sie fühlte sich immer schlechter, bis sie bettlägerig wurde. Der König ließ den Arzt kommen und überschüttete ihn mit Vorwürfen wegen ihres Gesundheitszustandes. Der ahnungslose junge Äskulap zeigte seine Ratlosigkeit und beteuerte, dass ihm nichts über die Krankheit der Prinzessin bekannt sei. Ohne einen Augenblick zu zögern, nahm er seine Arbeit auf. Der Arzt fand aber weder Fiber, noch starkes Herzklopfen, noch irgendwelche Schmerzen heraus. Zum ersten Mal in seiner ärztlichen Praxis konnte er keine Diagnose stellen. Er besuchte die Prinzessin jeden Tag und ihr Zustand verschlimmerte sich immer weiter. Der junge Arzt war außer sich vor Aussichtslosigkeit und konnte weder essen, noch schlafen. Er las alte Bücher, beriet sich mit anderen Ärzten. Alles war umsonst. Es gab keine Anzeichen einer unerforschten Krankheit. Der König war schon offen böse auf den Arzt und drohte ihm mit Rache, wenn er die Prinzessin nicht rettet. In der Nacht war der Prinzessin so schlecht ergangen, dass alle die Hoffnung verloren, sie lebendig zu sehen. Der niedergeschlagene Arzt ging keinen Schritt von der Seite der Kranken. Er verstand, dass er nicht in der Lage war, sie zu retten. „Wie konnte das nur passieren?“, sprach er aus und kniete vor ihrem Bett. „Ich habe so viele Leben gerettet, und der Liebsten kann ich nicht helfen!“ Die Prinzessin machte plötzlich die Augen auf und bat ihn, die gleichen Worte noch einmal zu sagen. Der Arzt freute sich so riesig, dass sie zu sich gekommen war, dass er sich an kein Wort erinnern konnte. Und da die Prinzessin sich wieder schlecht fühlte, entschied er, ihr sein Herz auszuschütten. Er erzählte rührend von seiner geheimen Liebe. Ein großer Stein fiel der Prinzessin vom Herzen. Sie fühlte sich sofort besser und fragte nach einem Glas Wasser. Nach einem Schluck errötete sie und war schon imstande, sich auf das Bett zu setzen. Am nächsten Tag begann sie zu gehen. Eine Woche später jagte sie schon im königlichen Wald. Der König wollte den Arzt großzügig für seine unübertroffene Heilkunst belohnen. Der junge Mann lehnte aber ab, da er den wirklichen Grund der Krankheit der Prinzessin weder verstehen, noch erklären konnte. Der König war bestürzt. Er ließ seine Tochter in den Palast kommen und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Die Prinzessin schwieg aber nur und seufzte. Der König erschrak, da er befürchtete, dass die unerklärliche Krankheit wieder heranrückt. Aus seiner Sicht trug nur der Arzt die ganze Schuld. Der König entschied also, ihn hinzurichten. “Dann können Sie mich auch hinrichten lassen, mein König und lieber Vater“, sagte die Prinzessin mutig, „da ich ohne den Arzt sowieso nicht mehr lange leben werde.“ „Nein so was!“, lächelte der weise König. „Jetzt weiß ich, wie diese Krankheit heißt und wie man sie behandeln kann. Wahre Liebe wird ja nur durch Trauung „geheilt“, sagte der König öffentlich und segnete seine Tochter und den jungen Arzt. Und so wurde die Tochter des weisen Königs zur Ehefrau des Königs der Heilkunde.

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