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Bühnenstücke

Bühnenstück "Das erste Mal"

Genre: Familienleben

 

Die Frau schmückt festlich die Wohnung. In dem großen Wohnzimmer hängen nun Girlanden, Lampions, Konfetti. An der Wand hängt ein Plakat mit Glückwünschen zum Geburtstag des Sohnes.
Der Mann betritt den Raum.
                                                                    1


Vater
(verwundert): Huch! Unsere Wohnung ist ja gar nicht wieder zu erkennen! Hast wohl die ganze Nacht herumgeräumt, damit hier alles bis zur Unkenntlichkeit verändert ist.
Mutter: Während Du noch geschlafen hast, habe ich alles schon selbst in die Hand genommen. Gefällt es Dir etwa nicht?
Vater: Doch, doch – nicht schlecht, Liebste. Alles ist einfach perfekt. Aber Fasching war doch erst. Wozu das Ganze also?
Mutter: Du hast auch rein gar nichts begriffen!
Vater: Was gibt es da zu begreifen?
Mutter: Was für ein Tag ist denn heute eigentlich?
Vater: Ach ja, natürlich, heute ist doch ... Also nee, was ist denn nun heute?
Mutter
(niedergeschlagen): Ich wusste es!
Vater: Nun, es ... ist Samstag. Immer wieder samstags also Fasching.
Mutter: Was für Fasching? Heute ist ein
Feiertag!
Vater: Und was für ein Feiertag, bitteschön?

Mutter. Nun, weißt du ...
Vater: Aaa-a ... (Pause) Nur Narren und Gecken schmücken ihre Wohnung mit allem Möglichen und Unmöglichen, aber wir sind Gott sei Dank nicht so. Wir haben unsere eigenen Bräuche, und so sind wir heute halt mit Girlanden, Konfetti und Bonbons zu Gange.
Mutter: Ich bin noch nicht so verrückt, dass ich Mitte April Fasching feiere!
Vater: Bist Du Dir da ganz sicher?
Mutter: Leider ist also alles so gekommen, wie ich es erwartet habe. Aber was sollte man sonst erwarten vom Vater seines eigenen Sohnes.
Vater: Was hat der Sohn damit zu tun?
Mutter: Immerhin wird er heute mal so ganz zufällig 16 Jahre alt!
Vater: Was Du nicht sagst! Dein Sohn ist 16 Jahre alt. Boah, wie die Zeit vergeht!
Mutter: Ich denke manchmal wirklich, dass dies nicht unser Sohn, sondern allein meiner ist.
Vater: Also ist Philipp jetzt 16 Jahre geworden! Nun ist mir alles klar. Und wo ist er selbst?
Mutter: Sei leiser, er schläft noch.
Vater: Schläft an solch einem Tag. Wie lange kann man da schlafen? Was meinst Du, was er mir schenken wird?
Mutter (verwirrt): Dir? Zu seinem Geburtstag?
Vater: Wem sagst Du das? Denn wenn ich nicht gewesen wäre ... Was starrst Du mich so an, als ob Du mich zum ersten Mal siehst.
Mutter: Wenn der Sohn nicht wäre ...
Vater: Was, wenn der Sohn nicht wäre ... ?
Mutter: Dann würde ich unsere Ehe als Fehler ansehen.
Vater: Als grammatikalischen?
Mutter: Als tragischen.

Vater: Also sollte ich heute mal kein Geschenk erwarten. Nun, ich wusste es!
Mutter
(weint beinahe): Was bist Du nur so unausstehlich – als Mann und Vater!
Vater:
 Ja, da habt ihr richtiges Glück gehabt. (bemerkt die Tränen der Frau) Was machst du, nun wirklich. Ich habe doch nur mit Dir gescherzt. - Du bist müde von der ganzen Arbeit heute Nacht. Warum hast du mir denn nichts gesagt?
Mutter:
 Ich hatte gehofft, dass Du wenigstens daran mal ohne Erinnerung denkst.
Vater:
 Und ich habe daran gedacht. Doch meine Freude zurückgehalten. Schließlich ist der Geburtstag des Sohnes etwas Heiliges für mich. Und als Vater bin ich sein bester Freund und auch der Freund seiner Freunde.
Mutter: Also hast Du den Geburtstag nicht vergessen?
Vater:
 Da gibt es nichts zu zweifeln! Der ist rot in meinem Kalender angestrichen.
Mutter:
 Dann sage mal an, was für ein Geschenk Du für ihn ausgesucht hast!
Vater:
 Das Geschenk? Ach ja ... das Geschenk. Das ist so eine Schachtel mit Geschenkpapier drumherum und mit einer silbernen Schleife. (Pause) War die Post schon da?
Mutter
(schüttelt den Kopf herablassend): Die Post ist schon durch.                   Vater: Aber ...
Mutter:
 Was zu beweisen gewesen wäre ...
Vater:
 Und trotzdem hast du nicht recht.
Mutter:
 Sei nicht so laut. Soll der Junge noch schlafen.
Vater:
 Komm, ich helfe Dir noch etwas.
Mutter:
 Lass mal. Es ist schon alles fertig.
Vater:
 Wie soll alles fertig sein, wenn da die eine Girlande noch durchhängt. Ich werde sie wieder hochziehen.
Ich mach das gleich ...

 

Der Mann stellt sich auf eine Trittleiter und versucht, an der Girlande zu ziehen, verliert aber das Gleichgewicht und fällt mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Vom Lärm wird das Geburtstagskind geweckt, das in T-Shirt und Shorts im Raum erscheint.

2


So
hn: Noch nicht mal am Samstag kann man ordentlich ausschlafen!
Mutter: Wir wollten dich nicht wecken, Philipp. Das ist wieder einmal Daddy ...
Vater
(noch auf dem Boden liegend): Ich? Obwohl, schon möglich ...
Sohn
(schaut sich um): Und was macht Ihr denn hier?
Vater: Er fragt auch noch! Hast Du etwa vergessen, was für ein Tag heute ist? Komisch aber auch.

Sohn: Nun, Samstag.
Vater: Richtig ... und was machen wir an Samstagen so am liebsten?
Sohn: Fahren aufs Land und placken uns ab wie Verrückte.
Vater: Heute Nachmittag ackern wir in Mutters so geliebtem Garten, aber grundsätzlich feiern wir ... Deinen Geburtstag.
Sohn: Irgendwie ist mir das früher nie aufgefallen!
Vater: Du hast das nicht bemerkt, weil wir es sehr oft machen. Denn, wenn das Jahr  52 Wochen hat, so feiern wir deinen Geburtstag genauso oft. Hast Du jetzt gemerkt, wie gut es Dir geht? Und w
as für tolle Eltern Du hast.
Mutter: Söhnchen, höre nicht auf Papa. Alles Gute zum Geburtstag, mein Lieber. 
(geht auf ihn zu und küsst ihn)
Sohn: Nun, und wo ist mein Geschenk?
Vater: Wie, wo ist das Geschenk? Siehst du es etwa nicht? Auf dem Boden! 
(mit offenen Armen) Na, komm her und umarme mal Deinen Vorfahren. Gönne Dir mal ein unvergleichliches Vergnügen.
Mutter: Achte nicht auf Deinen Vater, der hat nicht alle beisammen. Ich bringe Dir jetzt Dein Geschenk. 
(sie geht)

Vater (erhebt sich vom Boden): Einen Moment. Gleich, Mama, das heißt wir …
Mutter
(betritt schnell den Raum und reicht dem Sohn ein Geschenk): Hier … das ist von mir.
Vater
(frustriert): Hmm.
Sohn: Was ist das?
Mutter: Mach es selbst auf.
Sohn: Ein Fotoapparat! Genau der, den ich wollte. Woher hast Du das gewusst?
Mutter: Ich habe zufällig Dein Gespräch am Telefon gehört, als Du mit Bewunderung von ihm gesprochen hast.
Sohn 
(küsst seine Mutter): Dieses Modell ist sogar noch besser.
Mutter: Ich bin froh, dass Dir mein Geschenk gefällt.
Vater: Hmm.
Sohn: Dann werde ich ihn gleich mal aufladen und die Gebrauchsanweisung durchlesen. Du bist wirklich eine Super-Mama! 
(er geht)

Das Telefon klingelt. Der Vater nimmt ab.

 

Vater (spricht am Telefon): Hallo. Vielen Dank für die Glückwünsche, Alter. Das Geburtstagskind ... ja, ich hol ihn gleich. Philipp, für Dich. Okay, er ist ein wenig beschäftigt. Warte mal eine Minute, Kumpel. Währenddessen erzähle ich Dir vom neuesten Porsche. Er gefällt mir so sehr. Was meinst Du ... ich schließe nur meine Augen und schon sehe ich mich am Lenker von diesem Auto. (spricht laut) Ich hoffe, dass Du jetzt nicht nur mich hörst, sondern auch denjenigen, der meinen Traum sicher Wirklichkeit werden lassen kann. (spricht noch lauter) Notier Dir mal dessen Daten. Ach, Du kennst sie besser als ich! Ach, der Preis ... der spielt hier keine Rolle. Wie, warum? Weil das Auto mein innigster Wunsch ist. (rechtfertigt sich vor der Frau) Er ist schon ganz taub geworden, der alte Freund. Na ja, er hört schlecht. (spricht ins Telefon) Kauf Dir ein Hörgerät. (ins Zimmer kommt der bereits angezogene Philipp) Und hier ist das Geburtstagskind. Sage ihm alles selbst. (gibt dem Sohn den Hörer und spricht mit seiner Frau) Vielleicht sollte der einfach mal seine Visionen aufschreiben. Er vergisst sonst alles wieder! Ich kenne ihn doch.

Mutter: Was ist Dir wieder nicht recht?

Philipp beendet das Gespräch am Telefon und geht in sein Zimmer.

 

Vater: Eigentlich habe ich gedacht, dass wir Philipp gemeinsam ein Geschenk machen. Als hätte ich damit nichts zu tun! Der Sohn könnte noch auf falsche Gedanken über mich kommen. Wenn es ums Zimmerherrichten geht, dann beide zusammen, wenn es ums Geschenk geht, dann nur sie, die "Super-Mama".
Mutter:
 Es tut mir leid, wenn es so rübergekommen ist.
Vater:
 Vielleicht sollte ich ihm Geld schenken. Leihe mir mal 50 Euro, bitte. Ich gebe sie Dir später zurück. Sobald ich einen neuen Job finde.
Mutter:
 Du sitzt mir so schon im Nacken, jetzt schon ein halbes Jahr. (Pause) Ich will Dir mal gestehen, dass ich noch ein Geschenk für den Sohn auf Lager habe. Aber Du sollst es ihm nicht einfach nur geben, sondern Philipp auch erklären, wie es angewandt werden soll.
Vater: Nun, wenn es nicht so kompliziert zu bedienen ist  Okay, gib mir das Geschenk für den Sohn.
Mutter:
 Du solltest mit Philipp von Mann zu Mann reden.
Vater:
 Wie reden? Ich habe nichts verstanden.
Mutter:
 Nun, eben wie ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn.
Vater:
 Das hört sich schon anders an! Und was werde ich ihm also schenken?

Mutter: Hier ist es.
Vater
(öffnet eine Schachtel Kondome): Und was ist das?
Mutter: Als ob Du das nicht wüsstest.
Vater:
 Moderne Luftballons. Zu meiner Zeit waren sie zumindest noch bunt.
Mutter:
 Georg ...
Vater:
 Man müsste sie alle aufblasen. Sozusagen als letzten Schliff zur festlichen Gestaltung unserer Wohnung. (Pause) Tolles Geschenk. Du hättest Dir nichts Klügeres ausdenken können, und ich soll es nun schenken.
Mutter:
 Schließlich wird Philipp heute 16 Jahre alt.
Vater:
 Ich kann mich leidlich erinnern. Philipp ist aber kein Aschenputtel, das zur festgelegten Zeit seine Unschuld verliert.

Mutter: Ich würde es ja selber schenken, dachte mir aber, dass es Dir leichter fallen würde.
Vater: Und wie erkläre ich die hohe Stückzahl? Jawohl, mein Söhnchen, mach rum von morgens bis spät in die Nacht! Vergiss die Schule, das Elternhaus ... Blas die Bälle auf. Nicht wahr?
Mutter: Du kennst doch die heutige Jugend! Die sind da ziemlich schnell bei der Sache. Und keiner denkt daran, dass man verhüten sollte.
Vater: Soll sich die Jugend erstmal lieben und dann verhüten.
Mutter: Machst Du also dem Sohn das Geschenk oder muss ich auch das wieder übernehmen?
Vater: Ich mache das. (süffisant) Bei Deinen Spielchen bin ich ja immer das Opfer.

Philipp kommt in den Raum.

 

Vater (erfreut): Nun, mein Sohn, jetzt bin ich an der Reihe, Dir zu gratulieren. Ich habe lange darüber nachgedacht, mir sozusagen den Kopf zerbrochen, mit was für einer besonderen Sache ich meinen schon so reifen Sohn beglücken kann. Und da ist es mir neulich in einer Nacht eingefallen. Ich werde Dich noch verwundern mit meinen außergewöhnlichen Gedanken. Weil ich Dir etwas schenke ... Gottchen, wie soll ich es sagen, dass .... also wasserdichte ...
Mutter:
 ... Wasserdichte ....
Vater:
 Fast ... unkaputtbare ...
Mutter:
 ... Unkaputtbare ...
Vater:
 Moderne Ausrüstung ... eines richtigen Mannes.
Mutter:
 Ja, richtig.
Vater:
 Danke für die moralische Unterstützung. (wendet sich dem Sohn zu) Mit denen sind Du und Deine Partnerin immer sicher, und Deine Mutter und ich sind überaus beruhigt. Darüber hinaus sind sie überhaupt nicht schwer. Nutze Sie nach Belieben, und erinnere Dich jedes Mal an uns.
Sohn:
 Und was soll ich damit?
Vater:
 Für alle Fälle.
Sohn:
 Ich gestehe, dass ich alles von dir erwartet habe, aber nicht das! ...
Vater:
 Was ist daran falsch?
Sohn:
 Heute hast Du Dich selbst übertroffen.
Vater:
 Ich bemühe mich. Obwohl ich schon nicht mehr in dem Alter bin. Man wird nicht jünger.
Sohn:
 Nun, Mutter, dann erklär Du ihm, dass man da nicht einfach so geradeaus vorgehen kann, denn im Leben gibt es Dinge persönlicher und sogar intimer Natur.
Mutter
(will schon alles zugeben): Das ist alles meine ...
Vater:
(unterbricht und lässt die Frau nicht ausreden) Also, auch eine alte Frau ist nicht frei von Irrtümern. 

Philipp: Den ganzen Geburtstag habt ihr mir vermasselt.
Vater: Besser einen einzigen Tag aus dem Leben löschen als alle anderen. Du solltest wissen, Philipp, dass auch die Fähigkeit, mit einem Kondom umzugehen, den zivilisierten Menschen von den Wilden unterscheidet.
Sohn: Es reicht ... Ich bin satt bis obenhin. Du gehst mir auf die Nerven!
Vater: Wo willst Du hin? Halt mal.
Sohn: Ich gehe auf mein Zimmer. 
(geht weg)
Vater
(läuft ihm hinterher): Und wann werden wir es ausprobieren? Selbst im Mittelalter konnte kein Ritter seine Rüstung ohne einen treuen Knappen anlegen. Also sollte es zwischen uns keine Berührungsängste geben. (Pause)
Mutter: Ja, irgendwie war das mit den Kondomen doch nicht so gut gelungen. Ich habe den Bogen wohl überspannt.
Vater: Den Gummi überspannt. Und dann schnippt er einem halt mitten ins Gesicht. 
(Pause) Und trotzdem will ich mal sagen: Je früher, desto besser.
Mutter: Ich wollte Dich nicht in schlechtes Licht rücken ...
Vater: Das ist nicht das erste Mal. Ich werde es überleben. Du bist die Mutter und dafür ist Dir alles zu vergeben. So, wann geht denn unser Familienfest los?
Mutter: Nein, nein, das geht ohne uns über die Bühne.
Vater: Was, die Eltern werden auch schon nicht mehr gebraucht? Haben uns einfach abgeschrieben ...
Mutter: Philipp hat seine Freunde zu uns eingeladen, und ich habe schon alles vorbereitet.
Vater: Da wird sich auch noch für uns ein Platz finden. Ausgezeichnet!
Mutter: Unser Platz ist im Garten.
Vater: Was, heute?
Mutter: Wann denn sonst?

Vater: Dann feiern wir heute Abend!
Mutter:
 Wir bleiben über Nacht.
Vater:
 Ich merke schon, dass es nicht bei der Kamera und der Schachtel Kondome bleibt. Überlässt ihm also auch noch die Wohnung.
Mutter:
Mir scheint, dass Philipp ein Mädchen hat.
Vater:
 Das scheint Dir nur so, aber ich bin mir ganz sicher, dass ich heute im Garten schlafen muss. Vielleicht sogar draußen?
Mutter:
 Wenn Du so fürchterlich schnarchst wie heute nacht, dann passiert das auch so.
Vater:
 Da sind wir also hingekommen. Zum Sechzehnten vom Sohn auf der Straße schlafen. Fürchterlich sich auszumalen, was noch so kommt.
Mutter:
 Ich will nicht, dass das alles ... was mit Philipp passieren soll, in einem schmutzigen Treppenhaus oder anderswo passiert. Verstehe doch, an das erste Mal soll er sich das ganze Leben lang erinnern können.
Vater:
 Wiederhole Dich nicht, ich verstehe Dich schon. Unser Schlafzimmer bleibt heute nicht leer. Unfassbar. Und warum das alles ... gerade heute mit meinem Sohn passieren soll und dazu noch auf meinem Bett.
Mutter. Das sagt mir mein Mutterherz.
Vater: Nicht das Herz, sondern ein Echolot! Nicht die Frau, sondern der Stratege in Dir. Hat für alle schon alles entschieden und selbst ins Bett gebracht.
Mutter:
 Nun, ich bin doch um ihn besorgt.
Vater:
 Und ich mache mir Deiner Meinung nach keine Sorgen. Philipp hat Dir doch  klar gesagt, dass es etwas Intimes gibt, und Du ...
Mutter:
 Aber ich liebe ihn.
Vater:
 Wenn Philipp wüsste, was für große Pläne Du um ihn herum baust, würde er mich sicherlich noch umbringen ... 
Mutter:
 Warum Dich?

Vater: Weil ich ihm die Kondome gegeben habe, wenn Du Dich noch erinnern kannst.
Mutter: Ich erzähle ihm selbst alles.
Vater:
 Wage es nicht, dem Kind mein Geschenk abzunehmen. Das lasse ich nicht zu! Es ist besser, zum Gespött zu werden als gar kein Vater zu sein. (Pause) Na ja, im Grunde bin ich jetzt bereit, loszumachen: In Deinen Garten oder sogar auf den Friedhof. Für mich ist das im Prinzip alles eins.
Mutter: Deine Stimmung gefällt mir nicht.
Vater:
 Ich bin heute irgendwie traurig. Unser Philipp ist so schnell groß geworden, dass ich es gar nicht bemerkt habe. In welcher Klasse ist er denn?
Mutter:
 In der zehnten.
Vater:
 Schau mal an. In der zehnten Klasse, und ich denke immer noch, dass er in der ersten ist.
Mutter:
 Du wolltest es einfach nicht bemerken.
Vater:
 Ja, vielleicht. Der Junge wurde zum jungen Mann und ...
Mutter:
 ... Und wird in Kürze ein Mann.
Vater:
 Wieder preschst Du voraus. Alles hat seine Zeit. (Pause) Also, fahren wir oder nicht?
Sohn (kommt ins Zimmer): Wo wollt ihr hin!
Vater:
 In den Garten! Wen Du wüsstest, wie ich unseren Garten liebe! (spricht leise) Soll doch die Hütte mit all dem Grün und meinem Klappbett abbrennen.
Sohn: Warum?
Mutter:
 Wir müssen ...
Vater:
 ... wir müssen die Kartoffeln rausmachen.
Sohn:
 Im Frühling?
Vater:
 Na ja, jedenfalls nicht im Winter.
Sohn:
 Einen anderen Tag konntet Ihr nicht finden?
Mutter:
 Geburtstag ist schließlich nur einmal im Jahr, aber die Ernte ernährt uns das ganze Jahr über.
Sohn:
 Zwei, drei Stiegen Kartoffeln ernähren uns das ganze Jahr. Das wusste ich noch nicht!
Vater:
 Stimmt schon, Philipp, es sind wenige Kartoffeln, aber dafür die eigenen. Wie habe ich Deiner Mutter in den Ohren gelegen, dass wir da nicht so viele Blumen brauchen! Dann wäre die Ernte auch größer.

Sohn: Aber um Kartoffeln auszugraben, muss man sie erst mal legen.
Vater: Den erfahrenen Gärtner noch was lehren wollen! Nun, das musste mal gesagt werden, um Kartoffeln auszugraben, muss man sie erst einmal legen. Genau umgekehrt. Je mehr Du von ihnen ausgräbst, desto mehr kannst Du auch legen.

Sohn: Es reicht, Vater. Geh. Ich kann nicht normal mit dir reden, weil bei Dir alles drunter und drüber geht. (der Vater geht, der Sohn umarmt seine Mutter) Nicht leicht hast Du’s mit ihm.
Und warum kann man sich seinen Vater nicht auswählen?!
Mutter: Rede nicht so über Deinen Vater!
Sohn: Du tust mir leid. Vielen Dank für Dein Geschenk. Aber die Schachtel Kondome gib ihm zurück.
Mutter: Aber Philipp ...
Sohn: Gut, ich lasse es, sonst gibt es noch Ärger auf dem Weg in den Garten. Ich liebe dich.
Mutter: Ich liebe dich auch. 
(er geht, kommt aber bald wieder zurück) Nein, wir lieben dich. Sehr.

Die Eltern fahren in den Garten und Philipp bleibt allein. Eine lange Pause.
Dann klingelt es an der Tür. Philipp öffnet und die Gäste kommen herein.

                                                                       3


Philipp. S
eid Ihr’s? Ich wollte Euch gerade anrufen.
Jan: Als wir gesehen haben, dass Deine Eltern los sind, dachten wir uns, es kann losgehen. Denn feiern kann man nie genug.
Fabian: Wie lange wollen wir feiern?
Philipp: Minimum bis morgen früh.
Fabian: Klasse!
Philipp: Prima, dass Ihr gekommen seid.

Jan: Und wohlgemerkt, nicht mit leeren Händen, sondern mit Geschenken. So, von mir erstmal das neueste Musikalbum. Den Titel kannst Du selbst lesen und meine Aufopferung richtig einschätzen. Diese Scheibe habe ich mir für Dich aus den Rippen geschnitten, aber für einen Freund ist mir nichts zu schade. Immerhin ist bald auch mein Geburtstag, hast Du’s auch nicht vergessen?
Philipp:
 Nun, dann gebe ich Dir die Scheibe zurück.
Jan: Besser zwei Scheiben!
 Den Titel diktiere ich Dir später. Ich bin sehr gerührt.
Fabian: Und von mir ein USB-Flashstick mit 16 Gigabyte Speicherplatz.
Jan:
 Hast Du es etwa doch geschafft, Dein ganzes Gehirn da unterzubringen, Fabian?
Fabian:
 Da ist sogar noch Platz für Deine Geistesblitze. Noch ein bisschen Platz.
Nadine:
 Und hier ein Parfüm.
Jan:
 Warum Parfüm für Philipp? Bei unnützen Sachen muss man dann immer überlegen, wem man es weitergibt.
Nadine:
 Aber das ist doch ein Männerparfüm!
Jan:
 Ach, es gibt auch so was? Na, dann gut.
Philipp:
 Danke.
Sandra:
 Ich habe Dir ein schönes T-Shirt mitgebracht. Ich denke mal, ich habe mich in der Größe nicht geirrt.
Jan:
 Gleich probieren wir es mal an. Philipp, mach Dich nackig, und wir werden der Frauen liebste Sache machen: Klamotten anprobieren.
Philipp:
 Aber nicht hier.
Sandra:
 Zier Dich nicht so.
Jan:
 Wer ist denn da so schüchtern, Philipp? (sieht seinen verschämten Blick) A. .. Nun ja ... Ja.
Sandra:
 Komm ich helfe Dir.
Philipp:
 Nee, später.
Sandra.
 Nein, jetzt. Ich möchte Dich mal drin sehen.
Philipp: Sekunde!

 

Philipp zieht sich in einem anderen Zimmer um. Wiederum Klingeln an der Tür.

Philipp: Ich mache auf. Dies ist wahrscheinlich Katja. 
(öffnet) Du bist auch gekommen!
Katja: Herzlichen Glückwunsch, Philipp, zu Deinem Geburtstag. Ich weiß nicht, ob Dir mein Geschenk gefällt. Das ist mein Lieblingsbuch.
Philipp: Nun, wieso denn ... Ich bin gerührt.
Katja: Dies ist ein Abenteuerroman.
Jan: Ich bin auch bewegt. 
(Pause) Nun, macht es Euch alle bequem, aber vergesst nicht, dass Ihr zu Gast seid.
Philipp: Was spielst Du Dich hier so auf?
Jan: Na, ich bin doch hier wie zu Hause. Bin jeden Tag hier und über alles informiert, was in der Familie so passiert. Es wäre nicht gut, wenn nach uns etwas Wertvolles verloren ginge. 
Dann fällt der Verdacht gleich auf alle. Ich möchte nicht ...
Philipp: Hört nicht auf ihn.
Jan: Was ist los?
Philipp: Mach den Mund zu und sei mal leise. Katja – mach Dich mit meinen Freunden bekannt.
Nadine: Ich bin Nadine.
Sandra: Ich bin Sandra, eine gute Freundin von Philipp.
Fabian: Ich bin Fabian. Ein Klassenkamerad von Philipp.
Katja: Und ich Katja. Philipps Bekannte. Und wie heißt Du? 
(wendet sich an Jan, der aber murmelt etwas Zusammenhangloses)
Philipp: Hast Du die Zunge verschluckt?
Jan: Nun, Du hast doch selbst gesagt, ich soll den Mund halten.
Philipp: Zu Recht. Das ist Jan.
Jan
(erbost): Und das ist alles, was Du über mich sagen kannst: Das ist Jan.
Philipp: Was soll da falsch sein?

Jan: Ja, alles. Wer stellt so seinen besten und treuesten Freund vor, der Dir immer zu Hilfe kommt?
Philipp:
 Vor allem, wenn Du es nicht erwartest.
Jan:
 Ein anderer Freund an meiner Stelle wäre beleidigt, aber so ein echter Freund wie ich nimmt’s zum Geburtstag nicht krumm und verzeiht ihm sogar. Nun, lasst uns feiern.

Die jungen Leute ziehen den Tisch auseinander, die Mädchen helfen zu servieren und decken den Tisch. Bei Tisch gibt es eine Flasche alkoholfreien Sekt. Alle trinken auf die Gesundheit des Geburtstagskindes.

Katja:
 Nun, da sitzen wir jetzt wie Erwachsene.
Jan:
 Na, Deine Eltern würden uns noch Milch in der Nuckelflasche anbieten. Keinerlei Phantasie. Hätten ja wenigstens Bier kaufen können ...
Philipp
(sich rechtfertigend): Was anderes ist nicht da.
Jan:
 Heute bist Du sechzehn, Philipp. Dies bedeutet, dass Du jetzt alles darfst!
Fabian:
 Meinst du?
Jan:
 Na ja, fast alles. Übrigens, für Dich, Fabian, wird auch mit vierzig alles verboten sein.
Fabian:
 Warum das?
Jan:
 Weil sich bei Superklugen mit großen Brillen wie Dir allgemeinmenschliche Entwicklungen nur mit Verzögerung vollziehen. Oder gleich garnicht!
Fabian:
 Das merke ich mir noch.
Nadine:
 Jungs, streitet nicht.
Jan: Nadine, misch Dich nicht ein, wenn Männer miteinander reden.
Nadine:
 Oh, wie wichtig Du doch bist.
Jan:
 Was Fakt ist, ist Fakt. Erst recht, wenn man Alkohol ohne Altersprüfung kriegt.

Fabian: Aber nur, weil Du ein langer Lulatsch bist!
Jan:
 Ich verpass Dir gleich was ...
Philipp:
 Mund zu, bevor Du mich zur Weißglut bringst.
Jan:
 Was habt Ihr nur gegen mich? Esse ich zuviel?
Sandra:
 Du redest zuviel und lässt niemanden zu Wort kommen.
Jan
(beleidigt). Bitte, redet miteinander. Nur, Katja, brenne mal mit Deinen Augen niemanden ab.

Am Tisch ist es still.

Jan:
 Ist hier eine Trauerfeier oder doch Geburtstag? (Pause) Also, ich sage Euch jetzt, was ich schon sagen wollte, als die Brillenschlange mich noch nicht gestört hat. Ich habe noch eine Flasche Rotwein mit. Ich mache sie gleich auf, und Ihr werdet sehen, wie das Gespräch in Gang kommt. Ich gieße die Weingläser ein. (geht weg, kommt mit der offenen Flasche zurück und gießt ein, alle stoßen an und trinken) Jetzt sitzen sie wirklich wie Erwachsene.
Sandra
(erhebt sich vom Tisch und geht zur Musikanlage). Ich lege eine CD ein, okay?
Philipp:
 Nimm das, was Dir gefällt.
Jan:
 Alles alter Kram hier. Nimm besser meine CD. Du wirst es nicht bereuen.

Sandra legt Jans CD ein und alle werden von der lauten Musik taub.

Nadine:
 Oh, was für Musik!
Philipp:
 Klasse, ja.
Fabian: Anders kann man das nicht sagen.
Sandra:
 Ich würde doch besser etwas anderes einlegen. (hört die CD’s durch und wechselt von einer zur anderen). Diese scheint zu passen. Philipp, kann ich Dich zum Tanz auffordern?
Jan:
 Und warum nicht mich!
Sandra
: Weil Philipp heute Geburtstag hat.

Philipp: Komm, wir tanzen.
Jan: Bitteschön. Ich würde zu solch einer Musik nicht tanzen.

Sandra und Philipp tanzen, dann lädt Fabian Katja zum Tanz. Jan und Nadine sitzen am Tisch.

Jan: Sollen sie doch tanzen, aber wir essen derweil etwas. Ich habe einfach gigantischen Appetit. Wie immer für sieben Köpfe.
Nadine: So wie auch jetzt?
Jan: Nun, wenn ich nach Hause komme, versorgen mich meine Eltern, und dann schieben Philipps Vorfahren alles Mögliche in mich hinein. Da muss ich Angst um meine Figur haben. Und wie ist das bei Dir?
Nadine: Ich muss keine Angst um meine Figur haben.
Jan: Richtig. Wenn solche Leckereien auf dem Tisch stehen, fürchte ich nur das Eine: Ob es auch reicht.
Nadine: Das fürchte ich auch.
Jan: Ich sehe, Du bist kein schlechtes Mädel. Man kann sogar sagen, ein wahrer Mensch.
Nadine: Danke für das Kompliment.
Jan: Siehst Du ... verstehe mich aber richtig, weil ich Mädels normalerweise keine Komplimente mache. Fakt! (Pause) Vielleicht legen wir Messer und Gabeln zur Seite und tanzen auch.
Nadine: Es wurde schon längst Zeit.

Jan: Ich habe nur darauf gewartet, dass Du noch etwas isst, denn mit einem hungrigen Mädchen tanzt es sich gefährlich.
Nadine: Genau!

Alle drei Paare tanzen und sprechen miteinander.

Jan:
 Ohne Eltern ist es doch cool. Wenn sie nicht da sind, scheint die Luft irgendwie reiner.
Fabian:
 Und wenn man bei denen noch was sagt, ist es so oder so nicht richtig. Mach keinen Buckel ... Schmatz nicht ... Bring das her ... Wasch das ab ... Das ist kein Leben, sondern harter Knast.
Jan: Ich kann mir nicht vorstellen, wie es den Erwachsenen in den Kopf gekommen ist, dass man sich jeden Tag waschen muss.
Katja
(lächelnd) Wirklich, und warum?
Jan: Lach nicht. Ich meine das jetzt ernst. Wenn ich erwachsen bin, höre ich auf niemanden: Wenn ich will, schaue ich eben Fernsehen von morgens bis abends oder spiele am Computer. Und werde mich nie waschen.
Nadine: Pfui.
Jan:
 Dafür spare ich an Seife, Shampoo und Wasser. Für das Geld kann ich mir locker ein neues Telefons leisten.
Katja:
 Ob das reicht?
Jan:
 Ja, das ist genug sogar für zwei, vielleicht auch drei, wenn ich ab jetzt spare.
Fabian:
 Eine Willensstärke hast Du!
Jan:
 Ja ... Ich bin so einer. Ein Willensstarker! Das, was ich sage, mache ich auch.
Philipp:
 Wenn Du mit Sparen anfängst, dann komme lieber nicht mehr zu mir.
Jan
: Wegen uralter Vorurteile fürchtest Du also Deinen einzigen richtigen Freund. Und willst nichts mit ihm zu tun haben.

Philipp: Warum denn, dann können wir über Deine drei neuen Handys im Kontakt bleiben, aber so – sorry.
Jan:
 Also, schmutzig brauchst Du mich nicht, so scheint es. Okay, dann werde ich keine Wäsche waschen. Das ist auch bares Geld: eine Waschmaschine wird nicht gebraucht. Waschpulver und Strom wird nicht umsonst verschwendet. Und für das gesparte Geld kann ich mir so einen Schlitten kaufen, da werdet ihr noch staunen.
Katja:
 Super, Jan. Da kann ich Dir noch eine Variante ansagen, wie man schnell reich wird.
Jan:
 Nur nicht allen, flüster’s mir lieber ins Ohr. Wenn alle wissen, wie man reich werden kann, macht es auch keinen Spaß. Nämlich, wenn es nur Einer weiß!
Sandra:
 Ich wusste gar nicht, dass du so gierig bist.
Jan:
 Ein Geiziger an meiner Stelle würde Philipp kein Geschenk machen. Ich sagte doch, dass ich sparsam bin. Also, was für eine Variante?
Katja:
 Du kannst auch an der Wohnung sparen. Warum musst Du da überhaupt leben!
Jan:
 Und wo sollte ich Deiner Meinung nach dann leben?
Katja:
 Im Schweinestall! (alle lachen) Das ist der Ort für Dich.

Jan setzt sich enttäuscht an den Tisch und schlingt alles Mögliche in sich hinein.

Philipp:
 Da hat’s ihm Katja aber gegeben.
Jan:
 Macht nichts, ich mache mich auch noch über Euch alle lustig.

Katja schaut sich mit Interesse das Interieur des Raumes an und bemerkt die Fotos der Eltern von Philipp.

Kat
ja: Wer ist das?
Philipp:
 Das ist meine Mutter.
Kat
ja: Schön. Und das ist Dein Vater?

Philipp: Ja.
Katja: Auch nicht schlecht. Ich habe ihn irgendwo schon mal gesehen. Wo arbeitet er?
Philipp: Meine Mutter arbeitet in einer Bank, aber der Vater ...
Jan: ... der Alte hat seinen Job verloren.
Katja: Das kann heute jedem passieren.
Fabian: Ich weiß nicht, wie es anderen so geht damit, aber mein Vater war noch nie ohne Arbeit. Er sagt, dass nur die Faulen und die Loser keine Beschäftigung finden können.
Katja: Das ist nicht wahr.
Philipp: Und ich stimme der Aussage von Fabians Vater zu. Nur unsichere Menschen sind Außenseiter.
Katja: Also glaubst Du, Dein Vater ist ein Versager?
Philipp: Ja.
Katja: Da liegst Du aber falsch! (bemerkt eine bunte Schachtel)
Philipp: Schau nur, was er mir zum Geburtstag geschenkt hat!
Jan: Lass mich mal gucken. (schaut und pfeift erstaunt) Oho, ganz der aufgeklärte Vater. Welch ein Mann! Nicht so wie meiner. Nur warum gleich so viel davon, Philipp? Vielleicht nehme ich mir ein paar?
Philipp: Ja, nimm sie alle. Ich brauche sie sowieso nicht.
Jan: Wieso, manchmal kann das sehr schnell gehen.
Philipp (geknickt): Gibt es keine anderen Themen zu bereden?
Jan: Über was soll denn man noch reden als über Sex?

Fabian: Vielleicht reden wir trotzdem über die Liebe?!
Jan: Ich habe auch nichts anderes zu tun, als mit Euch über die Liebe zu reden. Du gefällst mir überhaupt nicht.
Fabian: Du mir übrigens auch nicht.
Katja: Ich habe erst vor kurzem über Romeo und Julia gelesen. Solch eine große Liebe!
Jan: Und wer ist das nochmal? So was wie Tom und Jerry?
Fabian: Du bist Tom und Jerry – und das gleich in einer Person. Das sind doch die unsterblichen Helden in Shakespeares Tragödie.
Jan: Und wer ist dieser Shakespeare? Unser neuer Direx?
Fabian: Ganz schön lange Leitung ...
Jan: Aber dafür bist Du ja sehr helle. Aber ich habe Dich nur rumfetzen lassen vor den Mädchen, damit alle wissen, was für ein Kluger Du bist.
Sandra: Julia war erst dreizehn, als sie Romeo kennengelernt hat.
Jan: Und wie alt war Romeo?
Katja: Scheinbar vierzehn oder fünfzehn Jahre.
Jan: Diese Jugendlichen sind voll verrückt geworden. Für Verführung Minderjähriger kann man schließlich im Gefängnis landen.
Philipp: Aber das ist Shakespeare im sechzehnten Jahrhundert.
Jan: Für jedes Jahrhundert gleich mal 16 Jahre drauf zum Absitzen.
Philipp: Vielleicht war Romeo so einer wie du und ich!
Jan: Sicher so einer wie ich - erfahren in Frauenangelegenheiten.
Fabian: Oh, bring mich nicht zum Lachen.                                                             Jan: Du willst wohl eine auf die Fresse bekommen, Fabian? Außerdem bin ich mir einfach sicher, dass Romeo schon vor dem Treffen mit Julia küssen konnte.
Kat
ja: Und warum meint Ihr nicht, dass er das Küssen mit Julia gelernt hat? Und wenn sie seine Erste war oder er ihr Erster?
Philipp
: Mir gefällt das Wort "Erster" nicht. Das bedeutet ja, dass da dann sicher noch ein Zweiter oder Dritter sein muss.
Jan
(lacht): Und der 33..
Philipp
: Nein! Wahre Liebe kann nur in der Einzahl sein.
Jan
: Und woher willst Du das wissen, wenn Du selbst noch nie ein Mädchen geküsst hast?
Philipp
: Da muss man ja annehmen, Du hättest schon einmal geküsst.
Jan
: Ich könnte sofort das Abitur in Sachen Küssen ablegen. Nein, da bin ich nicht zu übertreffen.
Fabian
: Werde Du erst mal mit Algebra fertig!
Jan
: Algebra kommt auch noch dran. Die wird darüber nicht alt und ranzig.
Sandra
: Also kannst Du wirklich nicht küssen, Philipp? Soll ich Dir’s zeigen? Das ist überhaupt nicht schwierig. (geht zu Philipp)
Philipp
: Vielleicht ... das nächste Mal.
Sandra
: Sag mir, wenn Du bereit bist.
Jan
: Ja. Und sag Deiner Mutter, dass sie nicht so schmackhaft zubereiten soll. (Pause) Lasst uns eine rauchen. Wer kommt mit?
Philipp: Ich rauche … noch nicht.
Sandra
: Wenn Du willst, bringe ich Dir auch das bei.
Kat
ja: Wie weltläufig in allen Dingen! Gibst Du zufällig auch Privatstunden?
Sandra
: Ja. Aber nicht jedem.

Jan: Wer rauchen will: Auf den Balkon!
Philipp
: Ihr könnt auch hier rauchen.
Jan
: Du bist doch verrückt, Philipp. Wenn Deine Mutter das mitkriegt, dass wir hier geraucht haben, ist für uns Sense.
Philipp
: Ich bin schon 16 und kann jetzt für mich selbst entscheiden.
Jan
: Und von einem Glas trockenen Weins mal fix beschwippst sein. Mir hinterher. Alle an die frische Luft.

Alle gehen aus dem Zimmer, außer Philipp und Tania.

Philipp
: Und Du, warum gehst Du nicht rauchen?
Sandra
: Ich konnte Dich ja nicht allein lassen. Und jetzt könntest Du ja küssen lernen.

Ins Zimmer kommt unerwartet Katja.

Katja: Sorry, ich wollte Euch nicht stören. Aber ich vertrage den Qualm nicht.
Philipp
: Du störst uns nicht. Setz Dich zu uns.

Katja setzt sich auf die Couch, und jetzt sitzen alle drei auf ihr. Pause. Bald kehren die anderen zurück. Alle schauen mit Interesse auf die drei jungen Leute.

Jan
: Wir haben noch keine Zigarette geraucht und Ihr habt schon solche Gelüste. Eine richtige Tragödie.
Sandra
: In der Tragödie stirbt immer jemand.
Jan
: Das meine ich ja! Und zu Eurem großen Leid bin ich das.
Philipp
: Warum Du?
Jan
: Ich glaube, ich habe zu viel gegessen und platze gleich.
Philipp
: Und die Torte?
Jan
: Nein, ich kann nicht mehr. Versucht nicht mal, mich zu überreden. Keine Chance! (Pause) Was für Torte?
Philipp
: Nuss-Sahne.
Jan
: Na, dann wenigstens mal probieren. Das Süßeste zuletzt!

 

Im Raum geht das Licht aus, und die Mädchen bringen die Torte mit entzündeten Kerzen. Philipp löscht sie, dann schneidet er den Kuchen an und gibt jedem ein Stück.

Jan: Warum nur so ein kleines Stück?
Philipp: Du wolltest doch nur probieren.
Jan: Du wartest ja nur darauf, dass ich vor Hunger in Ohnmacht falle. Oh, mein Freund!
Katja: Wie immer romantisch.
Fabian: Wie köstlich!
Jan: Ja, es ist lecker, aber ... zu wenig. Und Du, Sandra, warum isst Du nichts?
Sandra: Ich esse keine Süßigkeiten.
Jan: Und ich esse sogar vom fremden Teller (holt sich das Stück Torte von Sandra, isst es mit Appetit und murmelt dabei etwas)
Philipp: Hast Du was gesagt?
Jan: Ich weiß nicht, wie es mit dem Sex ist, habe es ja noch nicht ausprobiert, aber ich denke, dass diese Torte nicht schlechter ist. Eine Delikatesse!
Fabian: Da hast Du Dich aber jetzt selber verraten!
Jan (erhebt sich vom Schreibtisch und geht zur Tür): Ich sehe, mein Freund gähnt schon, es ist also Zeit, loszumachen.
Philipp: Was hast du denn?
Jan: Diese Gäste haben für zwei Wochen im Voraus gegessen und sitzen noch immer da in der Hoffnung auf ein zweites Dessert. Wem sage ich das, Arme und Beine bilden eine rotierende Scheibe und los geht‘s.
Nadine: Ja, es wird Zeit.

Philipp: Vielleicht gehen wir in die Disco?
Jan
: Will heute gleich alles auf einmal! Und was ist mit dem Sandmann?
Philipp
: Ich bin doch kein Kind mehr.
Fabian
: Jan hat recht, dass man sich von Althergekommenem nicht so schnell trennen sollte. (alle stehen an der Tür und verabschieden sich von Philipp)
Jan
: Ich höre da die ersten intelligenten Worte von Dir heute, Fabian. Aber es heißt nicht  "Jan hat recht, dass", sondern "Jan hat immer recht." Verstanden?
Fabian
: Verstanden.
Jan
: Sehr clever.
Sandra
: An Bescheidenheit wirst Du nicht sterben.
Jan
: Nee, wenn, dann nur an Völlerei.
Philipp
: Wollt Ihr mich alle schon verlassen?
Jan
: Sag bloß, allein wird Dir schummrig. Das siebzehnte Lebensjahr ist angebrochen! Es ist an der Zeit, ein Mann zu werden und kindliche Ängste zu überwinden.
Sandra
: Na gut, Philipp. Ich helfe Dir noch, das Geschirr aufzuwaschen.
Philipp
: Das mache ich selbst.
Sandra
: Lass das mal meine Sache sein. (nimmt die Teller und räumt vom Tisch ab)
Fabian
: Vielen Dank für die Einladung.
Nadine
: Alles war sehr lecker.
Kat
ja: Auf Wiedersehen.
Philipp
: Geh nicht weg. Bleib doch wenigstens noch für ein paar Minuten.
Jan
: Philipp hat recht. Sonst hat das Geburtstagskind das Gefühl, dass wir nur zum Essen gekommen sind. Das wäre nicht gut. Philipp ist so verletzlich. Genauso wie ich.
Kat
ja: Na gut, aber nicht lange.

 

Katja hilft Sandra abzuwaschen, und Jan instruiert Philipp.

Jan
: Sei ein Mann. So wie ich das verstanden habe, hatte Romeo eine Julia, Du hast aber gleich zwei. Kommst Du klar oder brauchst Du Hilfe?
Philipp
: Ich verstehe nicht, worauf du jetzt abzielst!
Jan
: Ich habe Dir eine Steilvorlage geliefert – für’s tete-a-tete. Ich habe noch nicht mal geschafft, die Torte aufzuessen.
Philipp
: Meinst Du Sandras Stück Kuchen?
Jan
: Nein, ich meinte Deines. Also nicht schwach werden! Dass Du mir morgen wenigstens küssen kannst, und vielleicht sogar ...
Philipp
: Du kannst beruhigt gehen, Shakespeare. Ansonsten kommt es hier noch zu einer  wahren Tragödie.
Jan
: Na, dann viel Glück. Hier hast Du die Kondome. Bei so einer Nacht, die Dich da erwartet. Da kommt es auf jede Patrone an.
Philip
p (steckt sie in die Hosentasche): Wenn ich Dir sage ...
Jan
: Das bereden wir morgen ausführlicher. Toj-toj-toj! (er geht weg)

Im Zimmer ist bereits alles so hergerichtet, wie es vor der Ankunft der Gäste war.

Sandra
: Scheint so, dass alle Spuren unserer Anwesenheit ausgelöscht sind. Was werden wir weiter machen?
Philip
p (zuckt mit den Schultern): Ich weiß nicht.
Sandra
: Womit unterhältst Du mich und Katja?
Philipp
: Wartet, Mama hat mir doch zum Geburtstag den Fotoapparat geschenkt. Kommt ich fotografiere Euch. Ich hol ihn gleich mal. (er geht weg)

Sandra: Nun, wie werden wir uns das Geburtstagskind aufteilen?
Katja: Was heißt teilen?
Sandra: Nicht im wörtlichen Sinne natürlich ... Aber das ändert im Prinzip nichts. Sag, liebst Du ihn?
Katja: Philipp gefällt mir. (Pause)
Sandra: Und Du gefällst ihm auch!
Katja: Hat er Dir davon erzählt?
Sandra: Ich sehe das doch selbst. Nur gefällt Philipp auch mir. Und schon seit langem. Ich bin einfach verrückt nach ihm.
Katja: Dann werde ich gehen.
Sandra: Du bleibst hier. Da ist jemand anders zu viel. Sage Philipp einen Gruß und sei lieb zu ihm - Freundin. (enttäuscht) Woher bist Du nur wieder gekommen? (geht leise weg)
Philipp (kommt ins Zimmer): Gleich nehme ich Euch auf. Und wo ist Sandra?
Katja: Sie ist losgegangen ...
Philipp: Warum?
Katja: Sandra ist plötzlich noch etwas Wichtiges eingefallen ...
Philipp: Schade, dass sie fort ist. Und wen nehme ich jetzt auf?
Katja: Dann halt mich. Es ist doch keiner weiter da.

Katja posiert zunächst zurückhaltend für Philip, aber mit jedem Schuss fühlt sie sich entspannter.

Philipp: Wie schön Du bist, Katja!
Katja: Was? Ich habe nicht gehört ...

Philipp: Du bist so schön, dass es mir den Kopf verdreht. (Pause) Ich liebe dich.
Kat
ja: Was flüsterst Du da so, ich verstehe nichts.
Philipp
: Ich liebe ... Dich. Für immer!
Kat
ja: Ist das wahr?.
Philipp
: Für den Rest des Lebens. Komm, ich küsse Dich gleich.
Kat
ja: Es scheint, Du weißt schon, wie das geht!
Philipp
: Sandra und ich sind gute Freunde. Aber jetzt will ich nur über uns reden. Verstehst Du ... über uns. (sie küssen sich, dann Pause)
Kat
ja: Gut, es reicht.
Philipp
: Magst Du es nicht?
Kat
ja: Das sage ich nicht.
Philipp
: Als ob es so schlecht wäre. Aber für mich ist es das erste Mal.
Kat
ja: Ich habe also einen Romeo.
Philipp
: Wenn ich Romeo bin, dann bist Du Julia.
Kat
ja: Ich mag Deinen neuen Namen.
Philipp: Und ich Deinen! Und wie ging es da weiter bei Shakespeare?
Kat
ja: Ich erinnere mich nicht.
Philipp: Dann sage ich es Dir. Von nun an war Julia nämlich Romeo erlegen.
Kat
ja: Jan hatte recht, als er sagte, wir sollten nicht versuchen, alles gleich an einem Tag zu tun.
Philipp: Aber wenn die Menschen wirklich lieben, dann wollen sie auch ganz zueinander gehören. Das ist normal. (versucht, Katja zu umarmen)
Kat
ja: Du bist zu hastig.
Philipp
: Du möchtest nicht?
Kat
ja: Ich bin nicht bereit für solche Beziehungen.
Philipp
:  Aber ich habe doch heute Geburtstag.
Kat
ja: Ich bin aber nicht Dein Geschenk, Philipp.

Philipp: Ich weiß nicht, was heute mit mir geschieht. Ich erzähle so einen Unsinn. Verzeih mir bitte!
Kat
ja: Ich habe da nichts gehört. Aber Du musst mir unbedingt versprechen, dass Du Dich bei einem anderen Menschen entschuldigst.
Philipp
: Und wer ist das?
Kat
ja: Dein Vater. Du hast so respektlos von ihm gesprochen, dass ich mich für Dich geschämt habe.
Philipp
: Und was hat das mit meinem Vater zu tun?
Kat
ja: Mir ist eingefallen, wo ich Deinen Vater gesehen habe. Wir standen in einer Schlange ...
Philip
p (muss lachen, unterbricht): Und was hast Du in der langen Schlange für die Arbeitslosen gemacht?
Kat
ja: Wir standen in einer Schlange ... im Laden. Ich stand vor ihm an der Kasse mit meinem Eis. Erst als schon eingetippt war, merkte ich, dass ich kein Geld dabei hatte. Alle starrten mich blöd an, vor allem die Kassiererin, und ich versuchte, irgendwas aus der Hosentasche hervorzukramen. Ich hätte im Boden versinken können vor Scham, aber Dein Vater kam mir zu Hilfe und hat dafür bezahlt. Ich habe versucht, seine Telefonnummer zu bekommen, um das Geld zurückzugeben, doch er machte nur Scherze und weigerte sich,  Geld von mir, der Naschkatze, anzunehmen. Er selbst hat mich so genannt.
Philipp
: Du kennst ihn halt nicht!
Kat
ja: Du kennst ihn überhaupt nicht. Manchmal genügt eine Minute, um zu verstehen, wer gut und hilfsbereit ist. Und er hat mir gefallen. Ich habe mir tausendmal vorgestellt, wie ich ihn eines Tages treffe und zu ihm sage: "Hallo, guter Mensch." Du hast mich irgendwie an ihn erinnert. Vielleicht treffe ich mich gerade deshalb mit Dir.
Philipp
: Du glaubst also, eine Packung Kondome für den Sohn zu seinem Geburtstag zu kaufen ist halt ganz normal.
Kat
ja: Ich denke schon.

Philipp: Dann machen wir eins gleich mal auf. Ich bin bereit! Hilfst Du mir nicht? Vater wird glücklich sein. (versucht, ein Kondom zu öffnen, aber die Hände zittern verräterisch)
Katja: Du hast überhaupt nichts verstanden. Ich gehe!
Philipp: (spricht ironisch) Willst Du den Sohn Deines Retters nicht etwas achten? Oder hättest Du nichts gegen etwas mit dem Alten? Denn das Eis ist noch offen, meine Naschkatze!
Katja: Was bist Du für ein Idiot! (sie geht hinaus und knallt mit der Tür)
Philipp: Dann geh doch halt, meine Unantastbare. Das habe ich gerade noch gebraucht!

Philipp geht unzufrieden und nervös im Zimmer hin und her und bläst ein Kondom auf. Dann zerplatzt es. Es klingelt.

                                                       

  4

 

Philipp: Wer kommt so spät bei Nacht und Wind? (öffnet die Tür, herein kommen die Eltern) Ihr seid es? Und warum klingelt Ihr, wenn Ihr den Schlüssel habt?
Vater: Ich wollte eigentlich nicht aufschließen, aber Deine Mutter ...
Mutter
: Ich bin immer noch die Chefin im eigenen Haus! Vater wollte mich nicht reinlassen.
Philipp
: Nun, habt ihr alle Kartoffeln ausgegraben oder ist noch etwas übrig?
Vater
: Alles ist raus. Sind ganz schön geschafft. Der Rücken ist ganz kaputt.
Philipp
: Ihr wolltet doch im Garten übernachten!
Vater
: Nun, verstehe einer die Frauen! Frau, was suchst Du die ganze Zeit?
Mutter
(kommt zum Sohn und sieht ihm direkt in die Augen): Philipp, sage Deiner Mutter, Du hattest nichts dergleichen?
Philipp
: Was?
Mutter
: Du hast noch nicht mit jemandem, nicht wahr? Ich mache mir solche Sorgen um Dich!
Philipp
: Ich verstehe nichts.
Mutter
: Du kannst Deiner Mutter alles erzählen. Und wenn da etwas war, dann gehen wir morgen zum Arzt. Er untersucht Dich und Du bekommst die notwendigen Medikamente.
Philipp
: Und warum?
Mutter
: Denn das ist sehr gefährlich. Zum ersten Mal! Und wenn Du Dich angesteckt hast? Gib es zu ...
Philipp: Was zugeben?
Mutter
: Alles. Wer ist oder sind ... sie?
Vater
: Liebste, Du musst das nicht so dramatisieren. Beruhige Dich erstmal.
Mutter
(geht zur Schachtel mit den Kondomen und beginnt zu zählen): Ich bin ruhig wie eh und je. Sieht man mir das nicht an? (schreit) Drei fehlen! Unfassbar! Wie fühlst Du Dich, Philipp?
Philipp
: Ausgezeichnet. Das Blut pulsiert nur so in meinen Adern.
Mutter
: Tut nichts weh, mein Junge?
Philipp
: Mama, alles ist in Ordnung. Die zwei fehlenden Kondome habe ich in der Hosentasche.
Vater
: Und das dritte ist wo?

Philipp: Hier ist es (zeigt auf die Reste eines geplatzten Ballons auf dem Boden und spricht ironisch). Es tut mir leid, Vater, dass ich ihn nicht für das Eigentliche verwendet habe. Ich habe Deine Hoffnungen also nicht gerechtfertigt.
Mutter
: Philipp, wie redest Du mit Deinem Vater! Entschuldige Dich sofort bei ihm!
Philipp
: Aber ich wachse doch erst heran und werde mich sowieso schon bald Deinem Ratschlag nicht entziehen können.
Mutter
: Philipp, dieses Geschenk hat Dir nicht Dein Vater gemacht, sondern ... ich habe das. Er kann also nichts dafür.
Philipp
: Das heißt also, Fotoapparat und Kondome sind von Dir, von Vater mal wieder nichts. Ich hatte es mir schon denken können!
Mutter
: Das waren unsere Geschenke für Dich.
Philipp
: Oder einfacher gesagt, Vater hat meinen Geburtstag vergessen. (es klingelt an der Tür) Ich mach auf. (er geht)
Mutter
: Hast Du alles abgesucht?
Vater:
 Was heißt alles? Mir ist überhaupt nicht klar, was Du eigentlich suchst. Ja, was suchst Du denn nun?
Mutter
: Nicht was, sondern wen. Sind keine Mädchen da?
Vater
: Denkst Du etwa, Philipp hat sie vor uns versteckt?
Mutter
: Er ist doch so schüchtern!
Vater
: Wie hat er es nur geschafft, sich so eine Eigenschaft bei solch einer Mutter zu erhalten!? Okay, ich gehe und suche sie jetzt selbst. Hey, Mädchen, Du brauchst Dich nicht zu verstecken. Komm raus. Vielleicht hat sie sich nach alter Gewohnheit im Kühlschrank versteckt. Das nennt sich nun moderne Jugend, aber die Verstecke sind die alten.

Mutter: Denkst Du, dass es mit ihnen so weit gekommen ist?
Vater: Das ist das Äußerste. Das Mädel war so entflammt in Leidenschaft für unseren Sohn, dass Philipp sie im Kühlschrank kalt stellen musste! (geht weg)

Philipp kommt mit einem Paket in den Raum.

Mutter: Wer war das?
Philipp: Die Post.
Mutter: Warum warst Du so lange weg?
Philipp: Sie haben sich noch groß und breit entschuldigt, dass das Paket erst so spät kommt.
Mutter: Und von wem kommt das Paket?

Philipp öffnet die Geschenkverpackung, und sieht, dass es zwei identische Schachteln sind.

Philipp: Wenn das nochmal Kondome sind, Mama, dann ist das kein Spaß mehr!
Mutter: Ich schwöre, das ist nicht von mir! Von mir nicht mehr. Das nächste Mal gibt es stattdessen Geld für die Liebe.

Philipp: Habe ich da richtig gehört?
Mutter: Wieder einmal habe ich mich also nicht klar ausgedrückt! Ich werde Dir einfach etwas mehr Taschengeld geben. Und dann kannst Du damit machen, was du willst. Jetzt bist Du schließlich erwachsen.

Philipp: (packt weiter aus): Im Paket sind zwei Bücher und ein Brief.
Mutter: Und wer schreibt Dir?
Philipp (liest): Vater!

Mutter: Wessen Vater? Mein Vater! Dein Großvater.
Philip
p (stolz): Mein ... Vater.
Mutter
: Also hat er es nicht vergessen. Ich habe doch gesagt, dass es für Deinen Vater noch zu früh ist, Tabletten gegen Alzheimer zu nehmen. Er ist doch noch in Form. Und wenn er nicht schnarchen würde, wäre er unschätzbar.
Philip
p (liest den Brief laut vor) Zu Ehren des glücklichsten Tages in meinem Leben wollen Mutti und ich Dir eine medizinische Enzyklopädie in zweifacher Ausfertigung schenken. Das zweite Exemplar ist für den Fall, dass Du das erste verlierst. Vater.
Vater
(kommt aus der Küche und schreit): Gefunden ... ich habe es gefunden!
Mutter
: Also war sie doch im Kühlschrank! Wie gehst Du eigentlich mit den Mädels um, Philipp?
Vater
: Ich habe es gefunden ... das heißt nichts Essbares gefunden. Alles ist aufgegessen bis zum letzten Krümel.Kein Salat, kein Käse, kein Schinken. Ein beneidenswerter Appetit! Nur drei Stückchen Torte sind übrig. Haben sich richtig einen Fetten gemacht!
Philipp: Danke, Papa.
Vater
: Wofür?
Philipp
: Für alles, was in meinem Leben gut war und ich hoffe, noch gut wird.
Vater
: Warum „ich hoffe? Nun erzähle mal, was hier heute so abgegangen ist.
Lieb
ste, lässt Du uns mal für einen Augenblick allein?
Mutter
: Ich bin wohl überflüssig?
Vater
: Du bist nicht überflüssig, zu unser beider Glück sind wir Mann und Frau. Sei so nett und gehe bitte mal vor die Tür. Wenn Du willst, kannst Du uns von dort belauschen!

Mutter: Na, toll ... (geht trotzig weg)
Philipp
: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!
Vater
: Rede nicht um den heißen Brei. Fakten auf den Tisch! Was ist passiert?
Philipp
: Vielleicht habe ich mich Katja gegenüber wie der letzte Idiot benommen.
Vater: Ich fürchte, so etwas wird Dir mit Frauen immer wieder mal passieren.
Philipp
: Ich habe sie beschimpft, und sie ist gegangen. Für immer.
Vater
(lenkt die Aufmerksamkeit auf das Buch): Oh, ein neues Buch. Wer hat es Dir geschenkt?
Philipp
: Katja! Vielleicht sollte ich gehen und mich bei ihr einfach entschuldigen.
Vater
: Nun, das versteht sich von selbst. Aber es scheint so, dass Du Dich noch etwas verändern musst.
Philipp
: Ich bin völlig ratlos, was soll ich jetzt tun?
Vater
: Für den Anfang ... lies mal dieses Buch.
Philipp: Warum?
Vater
: Ich sage Dir das jetzt nicht als Vater zu seinem Sohn, sondern von Mann zu Mann, dass Frauen nie auch nur irgendetwas einfach so tun. Wenn Katja Dir diesen Roman geschenkt hat, dann bedeutet dies, dass Du ihn minimum lesen sollst.
Philipp
: Und was wäre das Maximum?
Vater
: Der Idealfall wäre, dass Du so wirst wie sein Hauptheld.
Philipp
: Und sie verzeiht mir.
Vater
: Sicher. Denn Frauen sind oftmals nachsichtig Männerschwächen gegenüber.
Philipp
: Also sind wir beide Männer?
Vater
: Wer denn sonst! Zum Glück sind wir keine Frauen. Gott bewahre!
Mutter
(kommt zu den Beiden und umarmt sie): Meine Männer! Wie gut, dass ich Euch habe. Ohne euch wäre ich einfach verloren.
Vater:
 Fakt!

Philipp: Natürlich.
Vater
: Da gibt es keinen Zweifel.
Philipp
: Stimmt, Vater.
Mutter
: Eines kann ich nicht verstehen, warum Ihr so viele Geheimnisse vor mir haben müsst. Ich bin für Euch doch nicht fremd!
Philipp
: Auch wenn Du die Mutter bist, so bist Du trotzdem immer noch eine Frau und solltest verstehen, dass Vater und ich unsere Männergeheimnisse haben.
Vater
: Du bist einfach unser Gegenpol.

Mutter: Ich verstehe das alles vielleicht irgendwann einmal mit meinem Frauenherz und kann es dann wenigstens akzeptieren. Aber ich bitte, flehe, befehle Euch letztenendes, unter allen Umständen und bei jeder Gelegenheit ... zu verhüten.
Philipp
: Fängst Du wieder damit an?
Vater
(streng): Unterbrich Mutter nicht immer, vor allem, wenn sie ihre Gedanken mal so klar darlegt und uns vor allem unsere Männersünden vergeben will. Mach ruhig weiter so, Liebste. Mir gefällt das gerade sehr.
Mutter
: Das trifft auf Dich nicht zu!
Vater
: Das ausgesprochene Wort ist wie ein Vogel, das fängst Du nicht mehr ein.
Mutter
: Ich fange es ein. Immer!
Philip
p (umarmt die Eltern): Ich liebe Euch. Das Buch lese ich noch diese Nacht durch. Und morgen treffe ich mich dann mit Katja.
Vater
: Wenn Du ein Wort gibst, dann halte es auch, so wie Deine Mutter zum Beispiel ...
Philipp
: So, ich gehe jetzt in mein Zimmer, und macht mal hier nicht so viele Dummheiten. Immerhin bin ich jetzt 16 Jahre. (er geht fort)

Mutter: Und was wollte uns Philipp damit wieder sagen?
Vater
: Wahrscheinlich, dass ich mit Dir immer auf der Hut sein soll.
Mutter
: Das heißt?
Vater
: Verhüten, meine ich. Da gibt es keine Ausnahmen. Auch für Dich nicht.
Mutter
: Ist das Dein Ernst?
Vater
: Natürlich! Denn Deine Worte sind für mich direkte Anleitung zum Handeln!
Mutter
: Du bist gewohnt, Dich auf Frauenverstand zu verlassen, mein Lieber. Du solltest Dir mal lieber selbst etwas einfallen lassen!
Vater
: Aber nun weiß ich, dass Du keine feste Meinung zu dieser so grundsätzlichen  Frage hast.
Mutter
: Habe ich etwa keine Meinung? Ja, wenn Du’s wissen willst, ich habe immer zwei Meinungen: Deine, die falsche und meine eigene - die einzig richtige. Und hier sind wir voller Gegensätze.
(beide müssen nun lachen)

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